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Medaillon – LBS Schrems

„Medaillon“ von Maria Hahnenkamp an der Landesberufsschule Schrems

Geschichte in der Gegenwart

Die Landesberufsschule Schrems befindet sich, im Vergleich mit anderen Schulen, an einem sehr speziellen, geschichtsträchtigen Ort: Fast 400 Jahre alt ist das Gebäude. Im Lauf der Zeit wurde es immer wieder erweitert und umgebaut und nach dem jeweiligen Geschmack und Verwendungszweck seiner Zeit „modernisiert“. So schreibt die Neugestaltung und Erweiterung des Schulgebäudes die Geschichte der fortwährenden Veränderung der Anlage fort.
Zwei neu gestaltete Höfe hat die Schule bekommen. In beiden befindet sich ein auffälliges kreisrundes Objekt. Die Form sieht verspielt aus. Das Material hat eine angenehme Oberfläche, es eignet sich als Sitzbank. Aber sind diese Objekte einfach „nur“ Bänke?

Formen erzählen Geschichte

Die auffällige Gestalt der beiden runden, in sich noch einmal geformten, Objekte ist angelehnt an ein Stilmittel, das in der Kunst, in der Architektur aber auch bei Alltagsgegenständen und im Handwerk zu finden ist: das Ornament. Ornamente als beliebte Gestaltungselemente können ganz unterschiedlich eingesetzt werden. Die Bandbreite reicht von „reiner Verzierung“ (oftmals durch sich wiederholende Muster), über symbolischen Anspielungen, bis hin zu eigenen ornamentalen Kunstformen. Es gibt ganz unterschiedliche Meinungen, ob das Ornament eine eigene Kunstform ist, oder doch mehr dekorative Funktion hat. Unbestritten ist, dass das Ornament eine der ältesten ästhetischen Ausdrucksformen ist und kulturübergreifend Verwendung findet. In der Ausstellung „Die Macht des Ornaments“ („Die Macht des Ornaments“ vom 21. Jänner bis 17. Mai 2009 im Wiener Schloss Belvedere in der Orangerie) gingen die Kuratorinnen sogar von der Idee aus, dass Ornamente als eine globale Sprache gesehen werden können, in der sich die verschiedensten Kulturen treffen. (Siehe: https://www.artmagazine.cc/content39120.html)

Für Maria Hahnenkamp, die Künstlerin, die die beiden Objekte in den Höfen konzipiert hat, ist die lange Geschichte dieses Stilmittels von ganz besonderem Interesse: Ornamentale Grundformen werden meist über Generationen hinweg weitergegeben und können sich dabei über Jahrhunderte hinweg verändern oder auch neu interpretiert und adaptiert werden; nicht zuletzt durch Veränderungen in Kulturtechniken, Materialien und anderem. So ist die Form, die Maria Hahnenkamp für die runden Objekte als Vorlage verwendet, aus einer Ornamentsammlung von 1860. Das Ornament wird zu einem Symbol dafür, dass Wissen und Fertigkeiten nur dann fruchtbar weitergegeben werden können, wenn sie immer wieder neu interpretiert und an die Gegenwart angepasst werden.

Die Sprache des Ornaments

Auch in der Kunstgeschichte ist die Kenntnis verschiedenster Ornament-Traditionen wichtig. Sie ermöglicht das Einordnen von Kunst- und Kulturgegenständen und lässt Rückschlüsse auf Entstehungszeiten, Entstehungsorte oder auch die ausführenden Personen zu.. Bei Gebäuden – wie der Landesberufsschule Schrems – können sich so verschiedene Phasen ihrer Geschichte ablesen lassen. Zum Beispiel ist die Fassade im alten Schloßteil mit Ornamenten geschmückt. Daran ist erkennbar, wann und wie häufig die Fassade erneuert wurde , wieviel Geld die Auftraggeber damals hatten. Über lange Zeit hatte die reiche Verzierung der Fassade Repräsentationsfunktion für die Besitzenden: Je wohlhabender, umso verschwenderischer die Gestaltung. Mit der maschinellen Fertigung von Baustoffen und Objekten, ist die Verwendung von Ornamenten in jüngerer Zeit stark zurückgegangen. Sie wurden durch andere Gestaltungsmittel abgelöst. Das Ornament kann deshalb heute die Anmutung von etwas Überflüssigem, Umständlichem, Altmodischem haben. Umgekehrt ließe sich aber auch sagen, dass unsere Ästhetik heute von Zweckmäßigkeit und einer Kultur der dominanten Kosten-Nutzen-Rechnung geprägt ist. Dinge, die wir nicht unbedingt brauchen – wie ornamentaler Schmuck – werden weggelassen.
Mit der bewussten Rückbesinnung auf das Ornament verweist Maria Hahnenkamp auf die Bedeutung des vermeintlich Nutzlosen in der Gestaltung unserer Umwelt.

Das (befreite) Ornament

Dinge, die keinen nur praktisch orientierten und eindeutigen Nutzen haben, wie Hahnenkamps Ornamente in den beiden Innenhöfen der Schule, bieten unterschiedlichste Begegnungsmöglichkeiten, anstatt eine bestimmte Nutzung vorzugeben. Die Schüler*innen können ihre jeweils eigenen Zugänge wählen, je nach Bedürfnis oder Form der Betrachtung: so kann das „Medaillon“ als Bank zum Sitzen, oder auch als Podest für den Überblick verwendet werden; oder es wird als eigenständige Skulptur betrachtet.
Ich kann mir bei solchen nicht so genau für einen Zweck bestimmten Dingen viel eher aussuchen, was ich mit ihnen mache – nutze ich sie als Bank zum Sitzen, als Podest um mich größer zu machen, oder sehe ich sie doch als Verzierung. Maria Hahnenkamp stellt die Idee und den Wert des Ornaments wieder neu zur Diskussion: Z. B. die Vorstellung, dass Ornamente „nur“ Schmuck sind. Hahnenkamp „befreit“ gewissermaßen, die von ihr gestalteten Formen davon, nur Beiwerk von etwas anderem zu sein (Schmuck des Hauses, Zierde des Schulhofes) und gibt ihren „funktionalen Rundbänken“ großzügig Raum im Schulhof. Die Medaillons sind nicht zu übersehen und sie liegen mitten im Raum. Man muss um sie herumgehen, oder darübersteigen. Normale Bänke sind schlanker und stehen bescheiden, meist auf der Seite, aber „Schmuckstücke“ zeigt man doch gerne her?

Die Künstlerin Maria Hahnenkamp

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Seite von Kunst im öffentlichen Raum des Landes Niederösterreich unter: https://koernoe.at/en/project/medaillon