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Über Drüstel und hinteres Pratzel – LBS Hollabrunn

„Über Drüstel und hinteres Pratzel“ von Gabriele Schöne an der Landesberufsschule Hollabrunn

Innen – Außen

Außen

Die weißen Formen an der Fassade der Fleischereiwerkstätte sind schon von weitem sichtbar. Und nicht einmal auf den ersten Blick wirken sie wie ein reines Muster. Zu auffällig eigenartig sind die Formen – und die Anordnung. Auf den zweiten Blick – und vor allem, wenn man weiß, um was für ein Gebäude es sich handelt – sind die Formen „lesbar“: Es sind Teile von Tieren. Und genauer, es sind abstrahierte Formen von den Stücken, in die Kühe und Schweine bei der Schlachtung und Fleischzerlegung aufgeteilt werden.

Innen

Was innen in der Fleischhauer-Werkstätte Selbstverständlichkeit und tägliche Praxis ist – der professionelle Umgang mit Fleisch, von der Schlachtung bis zur Weiterverarbeitung, bekommt außerhalb der Werkstätte wenig Aufmerksamkeit. Das Fleisch liegt portionsgerecht hübsch verpackt im Supermarktregal. Wie die Verarbeitung bis dahin genauer verläuft, wissen nur die Wenigsten. Und das hat einen Grund: Denn zu gern klammern wir Dinge aus, die wir nicht gerne sehen möchten. Wir lieben Tiere. Aber wir essen sie auch gerne. Wie das eine zum anderen passt – darüber wollen wir so wenig wie möglich nachdenken. Das ist ein Punkt, auf den Gabriele Schöne, die Künstlerin, die die Fassade gestaltet hat, aufmerksam machen möchte.

Sprechende Formen

An den Formen lässt sich aber noch mehr „ablesen“. Es gibt zwei verschiedene Arten von Formen an der Fassade: Es gibt gezeichnete, klar geschnittene Umrisse von Fleischteilen, die angelehnt sind an die genaue, fachkundige Fleischzerlegung im Inneren der Werkstätte. Die Tiere werden in genau vorgegebene Stücke zerteilt, je nach späterer Verwendung. Die Schnittmuster sind so angelegt, dass möglichst jeder Teil verbraucht werden kann.
Und es gibt weiße, flächige Fliesen. Die Fliesen erinnern zwar an das Innere einer Fleischerei. Doch es sind nicht die gleichförmigen, maschinell gefertigten Fliesen, die sich häufig in Fleischer-Werkstätten finden, sondern handgeformte Einzelstücke. Jede Fliese ist anders. Jede Fliese hat einen sorgfältigen, handwerklich geschulten Herstellungsprozess durchlaufen. Sorgfalt, Genauigkeit und Respekt vor der Tätigkeit, hier im Umgang mit Tieren und ihrer Verarbeitung, sind Themen die Gabriele Schöne hier in ihrer „Erzählung ohne Worte“ (Zitat aus dem Bewerbungstext für das Projekt an der LBS-Hollabrunn) anklingen lässt.

Natur – Tier – Mensch

In einem weiteren Sinn sieht Gabriele Schöne den Umgang, den wir in der Schlachtung und Verarbeitung von Tieren in der Fleischproduktion haben, als beispielhaft für unseren Umgang mit der Natur im Gesamten. Genauso wie sich unsere Tierliebe mit unserem Essverhalten schwer in Einklang bringen lässt, bestehen Gegensätze in unserem gesamten Verhältnis zur Natur, das auf einer idyllischen Vorstellung, ja Verklärung basiert.
Dazu führt die Künstlerin aus: „wir schauen diese Tiere zwar gerne an, wollen dann aber doch nicht so genau wissen, wie es ihnen wirklich geht und wofür sie da sind. Dass es nämlich Nutztiere sind, die für uns geschlachtet werden. Wie deren Alltag aussieht, wollen wir lieber nicht wissen. Aber wenn wir an Sonntagen spazieren gehen, in der „freien Natur“, dann sehen wir gerne die Kuh auf der bunten Blumenwiese stehen.“ (Zitat aus einem Interview mit Dominique Gromes für die Galerie Thayaland, 2022
http://www.galerien-thayaland.at/eventblog/interview-gabriele-schoene/)

Dabei ist außer Frage, daß die Vorstellung „der Mensch sei die Krone der Schöpfung und die Natur ist ihm Untertan“ nicht mehr vertretbar ist. Wir haben die Natur über alle Maßen ausgebeutet. Aber nicht einfache Wunschvorstellungen helfen, sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt – in der Fleischproduktion genauso wie beim Ausflug in die Natur. Es kommt darauf an, unseren gesamten Umgang mit der Natur verantwortungsvoller zu gestalten, nicht nur Teile davon.

Die Künstlerin Gabriele Schöne

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Seite von Kunst im öffentlichen Raum des Landes Niederösterreich unter: https://www.publicart.at/en/projects/all/?pnr=1028