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Das Kunstwerk

„mischla“ von Leni Hoffmann an der Landesberufsschule Waldegg

Eingedellte Betonringe im Innenhof der LBS Waldegg

Die Kunst am Bau-Arbeit von Leni Hoffman in einem der Innenhöfe der LBS Waldegg besteht nicht aus einem Objekt, sondern aus mehreren. In unterschiedlichen Größen und Farben sieht man immer wieder dieselbe Grundform, verteilt über einen Großteil des Innenhofes.Die Form ist jedesmal eine Art eingedellter Ring oder Kreis.

Die meisten dieser Formen sind aus rohem Beton. Eine einzige übermenschengroße Form ist gemalt, in sattem Gelb auf die hintere, bergseitige, Betonwand und sticht sofort ins Auge, wenn man den Hof betritt und sich umblickt.

Ebenfalls sehr auffällig sind zwei weiterer große solcher Schlingen, die aus der hinteren Betonwand herauswachsen: Wie zwei dünne, flachgedrückte und zerdellte Donuts, die zur Hälfte in den rohen, unverputzten Beton eingemauert sind, ragen diese zwei Formen aus der Wand heraus: eine davon auf Sitzhöhe. Man kann sie auch als Bank benutzen, oder sich darauf legen oder stellen.

Die zweite kommt wesentlich höher oben aus der Wand, nur mit erhobenen oder ausgestreckten Armen erreichbar, je nach Größe. Sie ist noch etwas extremer eingedellt als die erste.

Alle anderen dieser Formen liegen am Boden. Sie sind etwas anders geformt: nämlich oben abgeflacht. Und sie sind alle im Kiesel des Innenhofs versenkt, so dass nur ihre Oberfläche sichtbar ist. Von diesen „Bodenschlingen“ gibt es zwei Typen:

1.) Eine große graue Schlinge, überhaupt die größte im ganzen Arrangement, ebenfalls aus rohem Beton, ist etwa in der Mitte des Innenhofs in den Kiesel eingearbeitet. Mehrere Leute können auf ihr im Kreis spazieren.

2.) Darum herum verstreut finden sich wesentlich kleinere Schlingen, auch aus Beton, aber bunt glasiert. Wie zufällig in den Kiesel eingestreut. Die Farben wechseln. Helles rot, blau, gelb, dunkles türkisblau, orange, grau, weiß. Was fehlt ist grün.

Eine andere Form als das Langgezogene und als die Linie

Leni Hoffmann will mit diesen Formen einen Kontrast zur Umgebung der Schule herstellen, betont sie in einem Videointerview über die Arbeit. Sie wollte eine Form an die Schule bringen, die anders als der Ort ist, an dem sie sich befindet.Mit „Ort“ ist nicht nur speziell die Berufsschule gemeint sondern der ganze Ort Waldegg und wie er sich in das Piestingtal, in dem er gelegen ist, einfügt. Hoffmann beschreibt Waldegg als einen Ort, der aufgrund seiner Lage im Tal stark an Linien orientiert ist:

Waldegg ist dem Fluss entlang gebaut. Waldegg liegt an einer Bahnlinie. Waldegg liegt entlang einer Schnellstraße. Der ganze Ort ist langgezogen. Auch der Bau der Berufsschule orientiert sich an der Linie der Hauptstraße durch den Ort. Die Schule ist selbst langgestreckt und folgt dem Tal, der Bahn, den Straßen und dem Fluss.

Diesen vielen Linien wollte die Künstlerin eine andere Form gegenüberstellen: einen Kreis. Ein gewöhnlicher Kreis war ihr aber nicht „ungerade“ genug. Um ihn noch ungerader, noch weniger einer Linie gleich aussehen zu lassen, hat sie ihn eingedellt – „wie ein Gummiband“. Und diese Form dann in Beton gegossen im Schulhof verteilt.

Gegenfarben zum dominanten Grün der Wälder, Wiesen und Felder – und grau

Nicht nur die Form sollte zum Ort einen gewissen Kontrast bilden, auch die verwendeten Farben. Waldegg ist von viel Grün umgeben. Satte grüne Föhrenwälder durchmischt mit Laubbäumen, Wiesen, Felder.Dazu bildet der graue, moderne Innenhof des Berufsschulgebäudes bereits einen starken Gegensatz. Die Arbeit im Hof verstärkt das noch einmal. Im Interview erfährt man, dass das Fehlen von Wandfarbe auf der Hinterwand des Hofes (bis auf die gelbe Schlinge) mit zur Arbeit gehört. Die Künstlerin wollte, dass Beton den Hof dominiert. Und selbst von den kleinen farbig glasierten Formen, die wie Farbtupfer im Beton und im Kiesel des Hofs wirken, ist keine einzige grün.

Die Arbeit heißt „mischla“

Die Arbeit hat auch einen Namen, nämlich „mischla“. Dieser Name ist allerdings frei erfunden, einfach eine Folge von Buchstaben.Normalerweise haben Namen irgendeine Bedeutung. Die Bedeutung gerät nur manchmal mit der Zeit in Vergessenheit. Bei Ortsnamen ist das oft der Fall.

„Waldegg“ z. B. kommt vom mittelhochdeutschen „eckh“, was eine Bergform mit einem Plateau und Steilabfall bezeichnet. Der Waldegger Burgberg, der Kirchenriegel, wurde im Mittelalter „Waldekke“ genannt und nach dem ist der Ort benannt.

Nur der Name für Hoffmanns Arbeit verweigert die Aufgabe, etwas zu bedeuten. So wie die eingedellte Kreisform sich weigert gerade zu sein.

Ein Wort, das nichts Bestimmtes bedeutet, keinen Inhalt hat – und dadurch frei wird für alle möglichen Ideen. Es gibt kein „richtiges Verstehen von mischla. Es kann alles heißen.

Leni Hoffman stellt damit eine Verbindung zu der Verwendung von Worten bei den Dadaisten her:

„mischla“ ist wie „dada“ eine Wortschöpfung ohne inhalt.

Die dadaisten waren eine Gruppe von Künstlerinnen zur Zeit des ersten Weltkrieges, die mit ganz unterschiedlichen Ausdrucksmitteln arbeiteten und unter anderem auch mit sogenannten Lautgedichten experimentierten. Dabei wird die Sprache von ihrem Sinn befreit, die Laute werden zu rhythmischen Klangbildern. Wie im Gedicht „Karawane“ von Hugo Ball: https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Ball#/media/File:Hugo_ball_karawane.png

Das war für die Dadaisten allerdings kein einfaches Spiel. Für die Künstler, die vor dem Krieg in die neutrale Schweiz geflohen waren, war Sinnentleerung der Sprache eine Antwort auf die Propaganda des ersten Weltkriegs. Wenn Sprache keinen Inhalt mehr transportiert, kann sie auch nicht mehr für Kriegshetze missbraucht werden.

„mischla“ ist anders

mischla ist also in mehrerer Hinsicht anders als seine Umgebung, irgendwie ein Fremdkörper: andere Form, andere Farben, ein Name, den man nicht versteht.In einer einzigen Hinsicht fügt sich mischla allerdings in das Gebäude ein. mischla ist, wie der Hof, in dem die Arbeit ausgebreitet ist, aus Beton gemacht.

Die Künstlerin Leni Hoffmann