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Das Kunstwerk

„Masse der Klasse“ von Elvedin Klačar an der Landesberufsschule Neunkirchen

Das Gewicht von Menschenmassen

Die künstlerischen Arbeit, die für die LBS Neunkirchen, spezialisiert auf Metallbautechniken, ausgeschrieben war, sollte sich mit dem Inhalt der Schule und mit ihren Materialien beschäftigen.Der Künstler Elvedin Klačar, der diese Ausschreibung gewonnen hat, ist selbst Absolvent einer Niederösterreichischen Landesberufsschule (Stockerau) . In seiner Arbeit geht es um das Gewicht, das Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Gemeinschaft haben – und das durchaus (auch) in einem wörtlichen Sinn.

Was wir auslösen, wenn wir uns zusammentun.

Die Skulptur von Elvedin Klačar im Hof der LBS Neunkirchen zwischen Schul- und Internatsgebäude ist auf den ersten Blick ein Art begehbarer bzw. besetzbarer Würfel aus Aluminium: Ein würfelförmiger Rahmen umschließt 25 verschieden hohe quadratische Segmente, die schachbrettmusterartig (im Raster 5 x 5 Meter) angeordnet sind. Das ganze sieht aus, wie ein eingerahmter, stark abstrahierter, metallisch glänzender Berg aus unterschiedlich hohen quadratischen Säulen. Aber die Arbeit ist nicht nur eine Skulptur:Sobald sich nämlich mindestens 2 Leute auf die Segmente im Würfel setzen oder stellen wird folgender Mechanismus in Gang gesetzt: Unter der Skulptur befindet sich eine Waage. Sobald die Waage ein Gewicht von mehr als einer Person misst, wird ein Monitor im Inneren des Schülerheims aktiviert. Der Monitor zeigt dann ein Zitat aus einem Buch des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti an, das von der Macht von Menschenmassen handelt – „Masse und Macht“ lautet der Titel des Buches. Kommt ein weiterer Körper auf der Waage dazu, wird ein anderes Zitat aus dem Buch angezeigt.

Die Leute auf der Skulptur bekommen diesen Mechanismus gar nicht direkt mit. Davon muss man wissen.

Eine Menschenmasse beginnt schon bei zwei

Eine Menschenmasse. Darunter versteht man normalerweise mehr als nur ein paar Körper. Man denkt an Massendemonstrationen, große Sportereignisse, an gefüllte Konzerthallen. An politische Massenbewegungen oder an Menschenmassen, die einer politischen oder kulturellen Führerfigur folgen, einem Diktator oder einem Popstar.Aber wenn man das Wort „Masse“ wörtlich nimmt , dann ist die Masse jene physikalische Größe, die unseren Körpern ihr Gewicht verleiht. Je größer die Masse, desto größer das Gewicht. Das kann man wieder bildlich verstehen: Gewicht, im Sinne von Einfluss und Macht. Und so kommt man zum Titel der Arbeit: „Die Masse der Klasse“.

Der Titel meint beides: Schon wenn sich nur ein paar Menschen zusammentun, entsteht ein Gewicht, ein Einfluss, eine Masse, eine gewisse Macht, die stärker ist, als die einzelne Person. Das beginnt schon bei der kleinstmöglichen Gruppe, bei zwei Leuten. Ein ganze Schulklasse, mit 25 Menschen, hat schon ein beträchtliches Gewicht und entsprechenden Einfluss.

Masse, Macht und Machtbewusstsein

Die Macht von Gruppen oder Klassen oder noch größeren Zusammenschlüssen von Menschen ist ihnen selber nicht immer bewusst. So wie die Leute, die im Würfel Platz nehmen, gar nicht sehen, was sich auf dem Monitor im Internat abspielt, was sie also durch ihr Gewicht auslösen, so sehen viele Menschen nicht, was sie als Gruppe oder Masse bewirken oder bewirken können. Darauf weist die räumliche Trennung von Würfel und Anzeige hin. Die Gewichtsmessung bewirkt zwar immer etwas, ab der kritischen Masse von mindestens zwei Leuten. Aber die Wirkung ist nicht offensichtlich. Man muss sich koordinieren, jemand muss im Haus sein und den Monitor beobachten.

Sich Zeit für die Macht seiner Gruppe nehmen

Elvedin Klačar versteht seine Arbeit als Aufruf, sich der Machtwirkungen der Gruppe, zu der man gehört bewusst zu werden, als Aufruf sich Zeit dafür zu nehmen, darüber nachzudenken, was eine Gruppe verbindet und zusammenhält und was sie bewirken kann. Im Text zu seiner Arbeit schreibt er:„Die jugendlichen BerufsschülerInnen, die ihre Ausbildung in der Landesberufsschule Neunkirchen absolvieren, gehören einer Generation an, die durch Geschwindigkeit (symbolisiert durch die Olaf Nicolai Uhr), neue Technologien (Stichwort Social Media) und Verunsicherung und Existenzängste (Auswirkungen der Wirtschafts-Krise) geprägt sind. Aus der Perspektive ihrer Karriereplanung stehen sie einerseits bereits als ArbeiterInnen im Berufsleben, da sie einen Lehrberuf ausüben, befinden sich andererseits aber noch mitten in ihrer Ausbildung. Das verbindende Element der BerufsschülerInnen ist somit ihre Generation sowie ihre Lebenssituation und dient als Grundlage einer kollektiven Identität (…)“

und weiter:

„SchülerInnen fordern zu Recht von der Gesellschaft ein, ihre Stimme erheben zu dürfen und gehört zu werden, sind sich ihrer eigenen Macht und Bedeutung in dem gesellschaftlichen System sowie deren Konsequenzen aber nicht immer bewusst“.

Die Arbeit wirft (politische) Fragen auf

Damit schlägt Elvedin Klačar den Bogen zum Thema Politik, lässt aber offen, was das nun genau heisst, die „Stimme erheben zu dürfen und gehört zu werden“. Die Arbeit wirft damit eher Fragen auf, als dass sie Antworten gibt:Sollen BerufsschülerInnen ihre Forderungen lauter und energischer gegenüber anderen Gruppen artikulieren?

Gibt es überhaupt gemeinsame Interessen und damit Forderungen von BerufsschülerInnen oder ist das von Schule zu Schule und von Person zu Person verschieden? Gibt es also überhaupt diese „Masse“ der BerufsschülerInnen, diese „kollektive Identität“?

Und wenn es sie gibt, wer ist das Gegenüber, an das man Forderungen stellt? Von wem will man gehört werden? Von den LehrerInnen? Von den ArbeitgeberInnen? Von politischen VertreterInnen? Wer vertritt überhaupt die Interessen von BerufsschülerInnen? Wer setzt sein oder ihr Gewicht für die Interessen der BerufsschülerInnen ein?

Der Künstler Elvedin Klačar