Das Kunstwerk
„De-Demolition (naked building)“ von Arturo Hernández Alcázar an der Landesberufsschule Amstetten
Eine Ruine
Warum stellt Arturo Hernández Alcázar eine Ruine vor die Landesberufsschule Amstetten?
Es sind wirklich Teile einer Ruine. Die Beton- und Metallteile der sieben Meter hohen Skulptur stammen aus einer kurz vorher abgerissenen Messehalle in Wieselburg. Betonelemente, Reste von ehemals verputzen Oberflächen, aufgerissene Teile, aus denen die metallenen Tragekonstruktionen herausragen. All das Wind und Wetter und dem Rost ausgesetzt.
Arturo Hernández Alcácar ist ein Künstler, der keine Skulpturen im klassischen Sinn baut. Statt aus neuwertigen Materialien neuwertige Kunstwerke zu schaffen, beschäftigt er sich mit dem Zerfall, mit der Zerstörung, und ganz speziell mit Abbruch, mit dem Herausreißen von Altem, um Platz für Neues zu schaffen.
Das ist eine Seite der Veränderungen der Welt, auf die selten geachtet wird. Wenn ein neuer Bahnhof fertig gebaut ist, wird er feierlich eingeweiht. Zum Abriss des alten Bahnhofs gibt es kein Fest, höchstens eine spektakuläre Sprengung schafft es vielleicht in die Medien.
Abreißen und Kaputtgehen gehören zum Wirtschaftssystem
Doch es geht in der Arbeit nicht nur darum, diese vermeintliche Schattenseite der Veränderung sichtbar zu machen. Die Arbeit macht zum Thema, dass wir mit unserem Wirtschaftssystem den natürlichen Prozess von Vergehen und Entstehen massiv beschleunigt haben und immer weiter beschleunigen. Ein Festnetztelefon aus den Siebziger Jahren hat oft noch eine halbe Generation lang überlebt. Aktuelle Handygenerationen haben allein schon aus Gründen des technischen Fortschritts eine Lebensdauer von vielleicht zwei Jahren.
Das ist die wirtschaftliche Seite des Gedankens von Zerstörung und Erneuerung: Neues (zum Beispiel neue Autos) kann man nur verkaufen, wenn nicht schon alle Leute ein Auto besitzen, oder wenn Autos irgendwann einmal kaputt gehen. Würden wir eine Autofabrik planen, wäre es wirtschaftlich gedacht sehr sinnvoll, Autos so zu bauen, dass sie nicht lange halten, damit wir in 5, 7, 10 oder 12 Jahren denselben Leuten wieder ein Auto verkaufen können.
Das Kaputtwerden, die Disfunktionalität ist wesentlicher Antrieb für unser Wirtschaftssystem. Alles was neu ist, soll irgendwann (möglichst nicht in zu weiter Zukunft) wieder verschwinden – aber die Wirtschaft ist bestrebt, diesen Teil der Produktion aus unserer Wahrnehmung auszublenden.
Wir produzieren Berge von Ruinen, Schrott und Müll, die wir nicht sehen wollen.
Das ist aber nicht einfach nur ein Teilaspekt unseres Wirtschaftssystems sondern ein Motor des Systems: dadurch verbrauchen wir Unmengen an Rohstoffen, dadurch müssen Rohstoffe so billig wie möglich sein, damit die Waren so billig sind, dass wir ständig neue kaufen können, dadurch entstehen Berge von Müll, Berge von Schrott und dadurch entstehen auch viele der Umweltprobleme, die uns heute bedrohen. Die Verbindung von Wirtschaft mit Fragen der Zerstörung ist eine Verbindung, die gerne übersehen wird, während Alcázar sie in seiner Arbeit sichtbar macht.
Und die Messehalle aus Wieselburg? Sie stammt aus dem Jahre 1971. Es war Zeit, sie durch etwas Neues zu ersetzen.
Arturo Hernández Alcázar hat dafür gesorgt, dass die abgerissene Halle nicht so schnell ganz verschwindet.
Ruinen und Wirtschaftskritik in der Kunstgeschichte
Die Idee der Kunstruine ist nicht neu. Schon in der Zeit der Romantik waren Ruinen in Landschaftsgärten sehr beliebt. Ein gutes Beispiel aus Niederösterreich ist der Mödlinger Naturpark Föhrenberge mit seinem Landschaftsgarten mit künstlichen Ruinen rund um die Burg Lichtenstein. Arturo Hernández Alcázar geht es aber nicht um die Schönheit und Poesi des Zerfalls, auch nicht um die Thematisierung der Vergänglichkeit in der Natur, sondern er sieht in der durch Menschen- und Maschinenhand herbeigeführten Zerstörung, in der massenhaften Produktion von Müll und Abfall, den Motor unserer Art zu wirtschaften.
Ihm selbst geht es um die Verbindung von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Fragen mit der Kunst.