Das Kunstwerk
„Peer Group“ von Gabriele Edlbauer an der Landesberufsschule Mistelbach
Eine besetzte Sitzgruppe in der Wiese
Aus einiger Entfernung betrachtet sieht man, auf der Wiese im eingezäunten aber auch von der Straße aus sichtbaren und begehbaren Vorgarten der LBS Mistelbach eine Sitzgruppe, eingelassen in eine rechteckige Betonfläche im hinteren Teil der Grünfläche. Die Sitzgruppe ist bereits teilweise besetzt, allerdings nicht mit Menschen (jedenfalls nicht immer), sondern mit seltsamen Formen, die auf den Bänken „sitzen“.
Betritt man durch die unversperrte Tür im Zaun das Grundstück, bemerkt man, dass die bernsteinfarbenen Objekte durchscheinend sind und jeweils etwas im Inneren eingeschlossen haben.
Eingeschlossene Objekte
Die eingeschlossenen Objekte entpuppen sich, bei näherer Betrachtung als ein Apple-Laptop, der in eine Form eingegossen wurde, die sehr einem Drucker ähnelt. Das zweite Objekt ist eine kleine Flex im Inneren einer zweiten Form, die oberflächlich besehen an einen Flaschenöffner erinnert: Halbkreis mit Stiel, im Stil die Flex inklusive Stromkabel.
Eine Sitzgruppe für Schülerinnen und Schüler und für eine Peergroup
Was man wissen muss: der betonierte Platz in der Wiese und die Sitzbänke sind ebenso Teil der Arbeit. Die Künstlerin sagt dazu:
„(…) es [gab] von mir das Interesse, dass ich eine Skulptur mache, eine Installation, die auch mit den Schülerinnen und Schülern der Berufsschule interagiert, das heißt die Arbeit besteht auch aus einem Platz, der geschaffen wurde, (…) hier war (…) grüne Wiese, (….) es wurde ein Platz geschaffen, wo die SchülerInnen auch sitzen können (….) Pause machen können, Gespräche führen können und dann gibt es noch meine eigene Peer Group, die sich zu den SchülerInnen auf die Bänke gesellt (…)“
(aus einem Interview mit Gabriele Edlbauer: https://www.youtube.com/watch?v=wwGOlIdTzog 06.01.2018)
Peergroup – Kollaboratives Arbeiten, sich austauschen
Was sind das für Objekte, die die Künstlerin als „meine Peer Group“ beschreibt und die es sich auf den Bänken im Grünen gemütlich machen?
„Peer Group“ ist ein Begriff, der aus der Sozialforschung kommt, unter dem man ganz allgemein eine Gruppe von Leuten mit ähnlichen Interessen versteht, oder mit ähnlicher Herkunft, oder Alter, die zueinander in einer engeren wechselseitigen Beziehung stehen.
Jede Gruppe von Freunden, jede Gemeinschaft, auch wenn sie nur für eine bestimmte Zeitspanne besteht, ist eine Peer Group.
Peer Groups sind wichtig als Freundeskreise, Peer Groups sind aber auch wichtig in der Ausbildung oder im Berufsleben. Man tauscht sich aus, unterstützt sich, bekommt Information oder verbringt die Freizeit zusammen. Oft lernt man im Austausch mit Gleichaltrigen genauso viel, wie in Unterrichtssituationen. Man redet auf Augenhöhe und ungezwungen, kann besser experimentieren und neue Dinge ausprobieren.
Ein Platz für Austausch – von Peergroup zu Peergroup
Die Bänke der Installation können dazu genützt werden, sich zu treffen, die Pause zu verbringen, in der Sonne zu sitzen, zum Abhängen. Gleichzeitig hat Gabriele Edlbauer symbolisch auch ihre eigene Peer Group auf die Bänke gesetzt – ihre KollegInnen.
Für Edlbauers Arbeitsweise ist gemeinschaftliches Arbeiten sehr wichtig. In vielen ihrer Projekte sind eine oder mehrere andere KünstlerInnen beteiligt. Für ihre Arbeit an der LBS Mistelbach hat sie vier Freund_innen aus ihrem Netzwerk eingeladen, ihr für die Arbeit in Mistelbach ein Portfolio zu schicken.
Toni Schmale (http://www.christinekoeniggalerie.com/kuenstler-details/items/schmale.67.html)
Cäcilia Brown (http://www.galeriesenn.at/werke/caecilia-brown.html)
Florian Voggeneder (http://voggeneder.net)
Gregor Göttfert (http://www.grgr.at)
Aus jedem Portfolio hat sie eine Form ausgewählt, die sie für die Arbeit typisch findet und gemeinsam mit der jeweiligen KünstlerIn eine Gussform für die Objekte entwickelt.
Kunst als Experiment
Zwei der Objekte wurden mittlerweile leider wieder abgebaut, nachdem die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter, Tag und Nacht, Sonnenschein und Schlechtwetter irgendwann die Form gesprengt haben. Zwei „sitzen“ noch auf den Bänken.
Dass gehört zur künstlerischen Arbeit dazu, dass etwas Schiefgehen kann. Oft ist in der Kunst jede einzelne Arbeit ein einmaliges Experiment. Man hat vielleicht Erfahrung mit Standardsituationen, aber wenn z. B. ein metallischer Gegenstand im Inneren einer Gussform von der Sonne erhitzt wird, sich ausdehnt, in den Nächten wieder zusammenzieht, friert, … wie lange hält ein Objekt das aus?
Tausch und Austausch von Wissen
In den Formen sind Arbeitsgeräte eingegossen – die Flex und der Laptop –, die Gabriele Edlbauer von den KünstlerInnen zur Verwendung für diese Arbeit bekommen hat. Als Gegenleistung, im Tausch, haben sie für die überlassenen Gegenstände neue, dem Standard der Schule entsprechende Geräte erhalten.
Die Qualität und Menge, der an der Schule vorhandenen Maschinen, technischen und elektronischen Geräte sind der Künstlerin bei ihrer Besichtigung der Schule besonders ins Auge gesprungen. Sie spricht von einer „fantastischen Maschinenarmada“. Es sind viele Geräte dabei, die man sich beim Aufbau einer eigenen Werkstatt nur kaum oder nur schrittweise leisten kann.
Diesen symbolischen Tausch bereits verwendeter Geräte, gegen neuere Ausrüstung sieht Gabriele Edlbauer in Zusammenhang mit der Situation in der Schule: Man bringt bereits Wissen und Erfahrung mit, von Dingen die man in der Schule, in der Freizeit oder schon früher in der Ausbildung gehört hat. Man lässt manche dieser Dinge zurück, und nimmt sich neue mit. Unterricht ist immer ein wechselseitiger Austausch, in den sich die SchülerInnen einbringen, aber auch etwas mitnehmen können, neues Wissen, technische Fertigkeiten oder Materialkunde.