Der Künstler Alois Mosbacher
Warum „Heimat“ unter Anführungszeichen? – die unheimliche Waldhütte
Im Begleittext zu seiner Arbeit „Mistelbach ist der Mittelpunkt der Welt“ schreibt Mosbacher von „‚heimatlicher‘ Gemütlichkeit“. Er schreibt allerdings dabei das Wort „heimatlich“ unter Anführungszeichen. Heimat ist für Mosbacher nicht einfach nur der Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist, sondern ein Ort an dem man etwas findet und in den man hineinwächst. Und was man dort findet ist nicht immer vertraut und heimatlich, sondern kann auch unheimlich und beängstigend sein. Für Mosbacher ist der Wald so ein Ort: Über eine frühere Arbeit aus dem Jahr 1997, die über einen ganzen Sommer lang im Wald entstanden ist, schreibt er:
„Ich hatte mit meiner Familie ein Haus am Land gemietet und eine längere Zeit dort verbracht. Ich wollte keine Stadtkunst machen und bin viel im Wald herumgestreift, dabei stieß ich auf einen Mann, der sich zwischen den Bäumen aus Abfallholz ein Haus zusammengenagelt hatte. Ich habe begonnen, dieses Haus zu fotografieren, doch dann fing er an, mir Nazigeschichten zu erzählen. Alles war ganz seltsam, ich bin dann gegangen. Ich baute selber eine Hütte und hielt sie in Bildern fest.“1
Die Serie von Zeichnung und Bildern und Fotos, die daraus entstanden sind, tragen den Titel „Geisterhaus“.
Markierte Orte als Orientierungshilfen
Der Zusammenhang von heimatlich/unheimlichen Orten, Karten und Markierungen taucht immer wieder in den Arbeiten von Mosbacher auf:
„Die Geographie als gewisse Ortsbestimmung: Wo was ist, wo man selber ist oder wo irgendetwas passieren kann, das hat mich immer interessiert. Und dass der Ort selber schon sehr viel bestimmt. Und dass es vielleicht nicht immer um das »Was« geht.“2
In einer Serie von Arbeiten, die etwas zur selben Zeit entstanden sind wie die Weltkarte in Mistelbach, malt Mosbacher Bilder im Stil eines Computerspiels, die ebenfalls im Wald angesiedelt sind. Die Bilder sehen aus wie Screenshots aus einem Egoshooterspiel: Man sieht verlassene Hütten oder Ansammlungen von Computer- oder Autoschrott manchmal auch mit Tieren, die im Verhältnis zu ihrer Umgebung viel zu groß gemalt sind. An diesen Orten sind Hinweise oder Markierung oder Anweisung angebracht, wie es weitergeht oder was zu tun ist. Ähnlich wie auf einer Karte werden auch hier Orte markiert. Aber in diesem Fall dienen die Markierungen einem anderen Zweck. Sie markieren nicht mehr nur, wo man ist, sondern sagen, was zu tun ist. (z. B. „Hole Hilfe!“)
Orte wo man etwas findet, im Wald oder im Internet
Es ist nicht immer der Wald, wo man etwas findet. Mosbacher arbeitet auch viel mit Fundstücken aus dem Internet oder eben mit Bildern aus Computerspielen. Das ist auch ein Teil seines Arbeitsarchivs. Er sagt über diese Fundstücke:
AM: (…) es ist nicht immer so zielgerichtet, was ich da suche. Und es ist ja auch nicht so, dass ich von vornherein alles verwenden kann, was ich gefunden habe oder was ich sehe. Es ist oft sehr spontan: Das interessiert mich, also drücke ich den Knopf, und dann ist es einmal gespeichert. Das Archiv ist natürlich viel größer und umfangreicher als das eigentliche Projekt. Und das Archiv, das birgt natürlich auch schon Material für Arbeit, die ich erst viel später angehe oder auch nie, an der aber mein Interesse geweckt ist.“3
Für Mosbacher sind das auch Orte, an denen er Material für seine Bilder findet und die eine ähnliche Rolle spielen, wie die Hütte im Wald. Für andere Menschen bieten diese unwirklichen und doch irgendwie realen Orte sogar mehr Heimat, als die Realität. Dazu sagt er:
„Ich sehe einfach nur, dass in unserer Gesellschaft viele einfach nicht mitkönnen und in irgendeiner Form eine alternative Welt aufbauen müssen, in der sie leben können. Und im extremsten Fall aussteigen und im Wald ihre eigene Hütte bauen. Es ist einfach grundsätzlich so, dass diese Gesellschaft immer weniger Freiräume dafür übrig lässt. Und ich glaube, das ist ein großes Problem.“4
Das Unheimliche ins Zentrum stellen, sich mit Unbekanntem vertraut machen
Ein Stück eines Waldes, einen Baum, hat Mosbacher in den Pausenhof der LBS gepflanzt. Ein Stück unheimliche Geborgenheit.
Dadurch, dass der Baum aber nicht mehr Teil eines Dickichts ist, nicht mehr am Rand der Welt, nicht mehr im Wald steht, sondern mitten im Schulhof, verschwindet auch das Unheimliche. Dadurch, dass das zuvor noch Unbekannte, Unheimliche ins Zentrum gestellt wird, kann man sich mit ihm vertraut machen und dadurch seine Welt, seine Weltsicht und was vielleicht dasselbe ist, seine Heimat ein Stück größer machen.
Das ist eine Strategie, die sich lernen lässt und die Weltkarte liefert dafür ein gutes Bild. Was aus einer früheren Perspektive am Rand war (fremd), rückt mit einer neuen Perspektive ins Zentrum (wird vertraut). Und das lässt sich dann gar nicht mehr so leicht umdrehen.
Biografisches
Alois Mosbacher ist 1954 in Strallegg in der Steiermark geboren. Er hat 1973–1978 an Akademie der bildenden Künste in Wien Malerei studiert und lebt und arbeitet Wien, … im Wald, im Internet, in Computerspielen und in seinen eigenen Bilderwelten.
Fußnoten
1 Alois Mosbacher im Gespräch mit Kindern in seinem Atelier in Wien, 2011, in: Festival der Tiere, AK Essl Museum, Klosterneuburg, 2011. (zitiert nach http://sammlung-essl.at/jart/prj3/essl/main.jart?content-id=1363947043047&rel=de&article_id=1364874376241&reserve-mode=active)
2 Gespräch Hans Ulrich Obrist mit Alois Mosbacher
3 ebd.
4 ebd.