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Der Künstler Elvedin Klačar

Herkunft: Bosnien, Ausbildung: Kunststudium in Marseille und Wien

Elvedin Klačar wurde 1976 im Ort Rudo in Bosnien und Herzegowina geboren und lebt und arbeitet in Wien. Sein Studium hat er an zwei verschiedenen Kunsthochschulen absolviert, in Frankreich an der école supérieure des beaux-arts de Marseille und der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Perspektiven auf das Individuum in der Gemeinschaft

Im Pressetext zur Eröffnung der Arbeit an der LBS Neunkirchen heisst es über ihn:

„Der Künstler setzt sich in seinen Skulpturen und Installationen immer wieder kritisch mit der Bedeutung des Einzelnen in der Gemeinschaft auseinander.“

„Kritische Auseinandersetzung“ mit einem Thema zeichnet sich dadurch aus, dass man verschiedene, vielleicht sogar widersprüchliche, Perspektiven zu diesem Thema einnehmen kann: Das versucht Klačar in verschiedenen Arbeiten auf unterschiedliche Weise:

Perspektive 1: In der Arbeit in Neunkirchen betont Klačar, dass man als Einzelne/r Gewicht bekommt, wenn man sich in eine Gemeinschaft begibt. Das kollektive Gewicht ist eine Chance und ein Versprechen: Man kann sich mehr Einfluss und Gehör verschaffen, wenn man gemeinsam auftritt.

Perspektive 2: In einer anderen Arbeit, setzt sich der Künstler ebenfalls mit dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft auseinander: Aber die Perspektive ist eine ganz andere: Die Gemeinschaft, in Form des öffentlichen, überwachten Raums in der Stadt wird als etwas Bedrohliches dargestellt, gegen das sich das Individuum schützen muss.

Die Arbeit ist eine Mischung aus einer zeitlich begrenzten Installation und einer Performance des Künstlers: In einer rechteckigen Säule, ganz aus Plexiglas, vollkommen durchsichtig für alle, die vorbeikommen, steht der Künstler selbst. Im Plexiglas stecken Messer, als ob jemand versucht hätte, Klačar mit den Messern zu treffen.

Das ganze spielt sich auf dem Wiener Praterstern ab, einem der bestüberwachtesten Orte in ganz Wien und gleichzeitig ein Ort, der vielen Leuten Angst macht.1

Kunst in Titos Geheimbunker

Klačar setzt sich aber auch immer wieder mit der Geschichte seiner Heimat, dem ehemaligen Jugoslawien und dem heutigen Bosnien und Herzegowina auseinander. In einem sehr ungewöhnlichen Ausstellungsraum zeigt er ein Videointerview mit einem sehr ungewöhnlichen Kunstsammler.

Der ungewöhnliche Ausstellungsraum ist ein riesiger, unterirdischer Atombunker in Konjic/Bosnien, den Jugoslawiens Lanzeitstaatschef Tito in 26-jähriger Bauzeit im Inneren eines Berges errichten ließ und von dem angeblich überhaupt nur sechs Menschen etwas wussten. Einer der wenigen Eingeweihen war der so genannte „Offizier K“, ein damals junger, kunstinteressierter Polizist, der von Tito den Auftrag erhielt, Kunstwerke international angesehener KünstlerInnen anzukaufen und im Berg vor aller Welt, sogar vor den eigenen Parteileuten, zu verstecken.

„Elvedin Klačar gelingt es, den Offizier K., der inzwischen seit dem Balkankrieg 1992 in Westeuropa im Exil lebt, ausfindig zu machen und über ihn seine und die politischen Absichten und die oft skurrilen Wege des Kunsterwerbs zu interviewen.“2

Heute gehört der riesige Bunker der gesamten Öffentlichkeit und ist zu einem Ausstellungsraum oder besser gesagt zu einem Ausstellungshöhlenlabyrinth umgebaut. Alle zwei Jahre gibt es eine neues Ausstellungsprojekt, die D0-Ark-Biennale. Bei der dritten Biennale im Jahr 2015 stellt Klačar das Interview als künstlerischen und historischen Beitrag zur Geschichte dieses Ortes aus.3

Wem gehört Kunst? Neue Bunker

Was die LBS Neunkirchen und Titos ehemaligen Geheimbunker verbindet, ist, dass die Kunst an beiden Orten mittlerweile öffentlich ist – im Fall von Titos Bunker.

Das Einbunkern von Kunst ist allerdings keine einmalige skurrile Episode aus dem jugoslawischen Sozialismus sondern wird genauso heute praktiziert – nur nicht mehr staatlich organisiert sondern privat.

In der Schweiz und in Singapur sind riesige Kunstspeicheranlagen in Betrieb4, die uns vielleicht in Zukunft ähnlich skurril vorkommen werden, wie Titos Bunker und die auch keine andere Funktion haben, als Kunstwerke für einen ausgewählten Personenkreis zu bunkern. Hinzugekommen ist nur, dass es in diesen neueren Kunstbunkern möglich geworden ist, das ein Kunstwerk den Besitzer wechselt – ohne dass das Werk selber seinen sicheren Käfig verlassen müsste. Man kann sich die Arbeiten kaufen – gegenseitig abkaufen – als Wertanlage für sich, zur Erhöhung des privaten Schwergewichts.

Fußnoten

1 Eine von Besuchern im Wienmuseum gestaltete Karte auf der die Leute eintragen könnten vor welchen Orten sie in der Stadt Angst haben und wo sie sich wohlfühlen zeigt den Praterstern (neben dem Allgemeinen Krankenhaus) als einen „Ort der Angst“ http://wien.orf.at/news/stories/2867198/